Kurzbericht über das 7. „Let’s Liberate Diversity“-Treffen vom 8. bis 11. März in Schottland
Von Susanne Gura, Dachverband Kulturpflanzen- und Nutztiervielfalt und Verein zur Verhaltung der Nutzpflanzenvielfalt (VEN)
Erhalterorganisationen aus 16 europäischen Ländern nahmen am 7. „Let’s Liberate Diversity“-Treffen vom 8. bis 11. März in Schottland teil. Ein Thema der Diskussionen war die Reform des EU-Saatgutrechts; ein konkreter Vorschlag der EU-Kommission wird für den Herbst erwartet. Die Erhalterorganisationen kritisieren den so genannten Sortenschutz und das Patentrecht; beide erlauben den Saatgutfirmen, die Vielfalt der bäuerlichen Sorten unentgeltlich für die Züchtung zu nutzen, jedoch selbst Lizenzgebühren zu kassieren. Die Züchtungsindustrie will den Sortenschutz sogar auf Produkte wie z.B. Marmelade ausweiten. Molekulare Marker sollen künftig helfen, industrielle Eigentumsrechte durchzusetzen. Mit chemieabhängigen Einheitssorten wurde die Sortenvielfalt darüber hinaus von den Äckern und aus den Gärten weitgehend verdrängt. Eine nachhaltige Landwirtschaft benötigt weniger homogene Sorten, die sich aufgrund ihrer breiteren Genetik ohne chemische Krücken an ihre Umwelt anpassen. Die Erhalter brauchen für ihre Arbeit einen rechtlich gesicherten Raum, ihre Sorten ohne bürokratischen Aufwand direkt an private Nutzer zu vermarkten. Österreich hat beispielhafte Regelungen. Eine kürzlich in Litauen eingeleitete rechtliche Verfolgung von Veranstaltern eines Sortenerhaltungsseminares wurde scharf verurteilt.
Auch die Bedrohung des größten und ältesten Nutzpflanzenlehrgarten Deutschlands durch den Ausbau des Bonner Uni Campus Poppelsdorf wurde kritisiert und dessen langfristige Sicherung durch Festschreibung seiner Flächen im Bebauungsplan gefordert. Solche verkehrsgünstig gelegenen Schaugärten sind unerlässlich für die notwendige Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit, denn Kulturpflanzen sind anders als Wildpflanzen auf Menschen angewiesen, die sie nutzen, anbauen und vermehren können.
Es wurden Arbeitsgruppen zu mehreren Themen gebildet, unter anderem auch zu phytopathologisch begründeten Beschränkungen, die die Verbreitung von Sorten immer häufiger zu behindern drohen. Ähnliche Entwicklungen sind bei der Vielfalt von Nutztierrassen zu beobachten, wie z.B. der Versuch, Rohmilchkäse aus hygienischen Gründen von den Märkten zu verdrängen, oder durch zu strikte Auslegung von EU-Hygieneverordnungen die lokale Schlachtung zu unterbinden. Als modellhaft wird die österreichische Regelung gesehen, die auch kleine Schlachteinrichtungen ermöglicht. Die Bestrebungen der EU-Kommission, Produkte von Klon-Nachkommen für die Vermarktung zuzulassen, wurden ebenso abgelehnt wie die einseitig Biotechnologie-lastige Förderung der Forschung über Nutztiere und Kulturpflanzen.
Dr Zsuzsanna Bardocz, Ehefrau von Arpad Puztai, der wegen seiner Warnungen vor den Risiken des Verzehrs von GVO-Nahrungsmitteln seinen wissenschaftlichen Posten am schottischen Rowett Research Institute verloren hatte, überbrachte eine gute Nachricht: Ungarn lehnt GVOs in Nahrungsmitteln und in der Landwirtschaft ab.
Ausgerichtet wurde das 7. Lets Liberate Diversity-Treffen von der Föderation der schottischen Crofter, dem mitgliederstärksten Kleinbauernverband in Großbritannien. Die Crofter hatten nach Vertreibungen im 19. Jahrhundert erfolgreich dauerhafte Landrechte eingefordert. Sie halten extensiv Schafe, Rinder und Geflügel, bauen Gemüse und Getreide an und sind für ihren sozialen Zusammenhalt und Engagement der Jugendlichen bekannt, wie auch für ihre Gastfreundschaft, die dankenswerterweise zum reichen Austausch von Saatgut, Erfahrungen, Ideen und Informationen beigetragen hatte.
Siehe auch http://liberate-diversity-scotland2012.org