Bericht vom 17.Symposium 8. bis 10. Dezember 2023

Frank Adams, SEED und Vorstandsmitglied des Dachverbands, hatte zusammen mit Engagierten aus Frankreich, Belgien, Luxemburg und Deutschland über ein Jahr hinweg an der Beschreibung der Kulturpflanzenvielfalt gearbeitet. Ziel war es, nicht etwa eine Abgrenzung von industriellen Sorten vorzunehmen, sondern mit einem positiven Narrativ unsere on-farm-Erhaltung vorzustellen und dabei auch die Akteure, ihre Motive, ihre Erfahrung und ihr Wissen einzubeziehen. Im Vorfeld der Reform des Saatgutrechts erschien dies besonders wichtig. Die Beschreibung (zwei Seiten) ist hier:  https://kulturpflanzen-nutztiervielfalt.org/kulturpflanzenvielfalt-eine-beschreibung.

Zum Vortrag von Frank Adams: https://t1p.de/symp2023-Adams.

Frank Adams hat die Produktion eines Dokumentarfilms über Kleinstbetriebe, die Vielfaltssorten vermehren, mit Rat und Tat zu unterstützt. Die Uraufführung fand Ende November 2023 im EU Parlament statt, im Rahmen einer Podiumsdiskussion von Abgeordneten der Fraktion EFA/Greens.

Seeds of Europe, Dokumentarfilm über Kleinerzeuger von Vielfaltssaatgut (30 min) https://www.youtube.com/watch?v=hj-oyEix1Q0   (mit deutschen Untertiteln) Frank empfiehlt, den Film auf den Saatgutveranstaltungen im Frühjahr zu zeigen!

 

Zum Stand der Reform des Gentechnikrechts informierte Sinay Gandenberger, Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW)  Video: https://t1p.de/symp2023-Gandenberger

Die wenigsten der neuen Gentechnikprodukte, die ja Ländern wie USA und Japan freigesetzt sind, sind laut BfN die versprochenen abiotischen Toleranzen gegenüber Hitze, Dürre oder Überflutungen. Die meisten sind Lifestyle-Produkte wie nicht-bräunende Äpfel oder Pilze. Die Anbaumengen betreffen fast ausschließlich Soja, Mais, Baumwolle und Raps. Höhere Präzision der NGT bedeutet nicht höhere Sicherheit. Unter die Definition neuer Gentechnik (Kategorie 1, angeblich gleichwertig mit Mutationszüchtung) würden laut BfN fast alle Gentechnikprodukte fallen. Eine wissenschaftliche Grundlage für die Definition gibt es nicht. Anders als Mutationen, die nur einzelne Punkte im Genom betreffen, verändern Eingriffe der NGT alle entsprechenden Stellen im Genom, d.h. der Eingriff geht erheblich tiefer und ist daher riskanter für die Umwelt. Trotzdem sind im Vorschlag der EU-Kommission keine Risikoprüfung, keine Nachweisverfahren,  keine Koexistenzregeln, keine Rückverfolgbarkeit, keine Haftungsregeln, und außer beim Saatgut keine Kennzeichnung der Produkte vorgesehen. Mitgliedsstaaten dürften auch nicht mehr wie bisher auf die Zulassung verzichten. Laut einer Studie aus dem Einzelhandel würden Mehrkosten für die Aufrechterhaltung der Gentechnikfreiheit sowie durch Patente entstehen.

Das in der EU geltende Vorsorgeprinzip wird ignoriert, ebenso wie das Urteil des EUGH 2018, dass auch neue Gentechniken unter das bisherige Gentechnikrecht fallen. Der Vorschlag der EU-Kommission würde neunzig Prozent der bisher verfügbaren Gentechnikprodukte als neue Gentechnik einstufen. Sogar das Gentechnikrecht der USA ist besser als der Vorschlag der EU, denn in den USA müssen Unternehmen wenigstens für Schäden haften.

Der Verordnungsvorschlag für die EU mutet inhaltlich und verfahrensmäßig an wie ein Umsturzversuch. Obwohl die Ablehnung in der Bevölkerung weiterhin hoch ist, wird der Kommissionsvorschlag in Parlament und Ministerrat  beschleunigt durchgezogen. Klimaresiliente Produkte wurden sogar in Parlament und Ministerrat nicht als Möglichkeit, sondern als Fakt präsentiert.

Von fast allen Seiten wurde nur ein einziger Kritikpunkt aufgegriffen: Patente der Neuen Gentechniken würden zur Monopolisierung beitragen. Erste Änderungsvorschläge lassen auf keinerlei Besserung hoffen, im Gegenteil. Die zur Eindämmung von Patenten vorgeschlagene Lösung, in einigen Jahren einen Bericht vorzulegen, ist ungenügend. Indiskutabel ist der Kompromissvorschlag der spanischen Präsidentschaft, die Ende 2023 an Belgien übergeht: Streichung der Kennzeichnungspflicht beim Saatgut, und Streichung der Gentechnikfreiheit des Ökolandbaues.

Was kann man tun? Zur Petition gegen die Deregulierung Neuer Gentechniken

 

Über die Reform des EU-Saatgutrechts berichteten Bernd Kajtna, Arche Noah, Video: https://t1p.de/symp2023-Kajtna, Susanne Gura, VEN und Vorstand des Dachverbands (Vortrag), und Kerstin Diekmann, Bundessortenamt. Fast so schnell wie bei der Gentechnik, noch vor der Parlamentswahl im Juni, soll der Kommissionsentwurf durch Ministerrat und Parlament verhandelt und beschlossen werden. Zwar ist die Erhaltung der Vielfalt ein Ziel, aber das Saatgutverkehrsrecht ist dafür nicht geeignet. Im Kommissionsentwurf werden unzureichende Ausnahmen gemacht, die die Vielfalterhaltung stark beeinträchtigen könnte.

Zwar könnten Hobbygärtnernde informelle, nicht zugelassene Sorten untereinander verkaufen, solange sie dies nicht berufsmäßig tun.

Für Kleinstbetriebe und Einzelpersonen, die berufsmäßig Vielfalt erhalten, würde der Verkauf an Hobbygärtnernde mit Pflichten belegt. Diese stellen eine zu hohe Belastung dar, wenn man, wie bei der Vielfaltserhaltung üblich, Saatgut vieler Sorten in kleinen Mengen verkauft. Es wären dieselben Vorschriften wie beim Saatguthandel für den kommerziellen Anbau, der mit wesentlich größeren Mengen umgeht:

An Hobbygärtnernde dürften sie informelle, nicht zugelassene Sorten verkaufen, aber sie müssten u.a. darüber Bericht erstatten. Sorten für den Anbau in Erwerbsgärtnereien, und seien es kleine Mengen für Solawis oder für lokale Märkte oder Restaurants, müssten außerdem zugelassen sein.

Landwirte dürften allerdings nicht von Vielfaltsorganisationen oder Genbanken kaufen, und untereinander dürften sie Saatgut nur austauschen. Das Zulassungsfenster für sog. Amateursorten, das u.a. für Ökosorten genutzt wird, würde geschlossen. Erhaltungssorten sollten dann unbedingt um neu entwickelte Sorten erweitert werden. Um mehr Nachhaltigkeit in die kommerzielle Landwirtschaft zu bringen, will die EU-Kommission eine Nachhaltigkeitsprüfung der Sorten vorschreiben. Dadurch könnten auch alle bisher bekannten Produkte der Neuen Gentechnik "nachhaltig" werden. Dazu zählen die bereits vorhandenen (z.B. keine Apfelbräunung) und die bisher nur versprochenen (z.B. Klimaresilienz). Anbausysteme, um die es bei der Nachhaltigkeit eigentlich geht, könnten unverändert bleiben. Die ersten Verhandlungen über das Saatgutrecht in Parlament und Ministerrat zeigen, dass noch Vieles geändert werden kann, zum Besseren oder zum Schlechteren.

Genbanken und vielleicht auch Erhalterorganisationen könnten von den belastenden Pflichten vielleicht ausgenommen werden. Für Einzelpersonen und Kleinstbetriebe, die für die on-farm-Erhaltung unverzichtbar sind, zeichnet sich bisher überhaupt keine Ausnahme ab.

Zur Erinnerung: Wer berufsmäßig Saatgut über einen Webshop verkauft, muss sich beim Pflanzengesundheitsdienst anmelden und eine Reihe von weiteren Pflichten erfüllen. Ausnahmen für Vielfaltserhaltung gibt es nicht. Weil die Pflanzengesundheitsverordnung derzeit überarbeitet wird, gibt es weitere Aktionen - Bitte die Augen offenhalten und mitmachen!

Was kann man zum Saatgutrecht tun? Zur Petition: Hoch die Gabeln für die Vielfalt!

 

Die Rote Bete, das aktuelle Gemüse des Jahres stellten Maria Madani und Renate Düring vom Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt (VEN) vor. Nicht nur die Vielfalt der Sorten, sondern auch die breiten Nutzungsmöglichkeiten der Roten Bete mag manche:n überrascht haben. Gärtnerisches, Geschichtliches und Kulturelles ergänzten den perfekten Rundum-Blick auf eine der ältesten Kulturpflanzen der Menschheit. Cathrin Merx vom Tropengewächshaus Uni Kassel hielt eine ganze Reihe von verschiedenen Sorten aus dem Witzenhäuser Gemüse-des-Jahres-Beet in die Videokamera, und Renate Düring hatte ebenfalls einige beeindruckende Exemplare aus der Arbeit der VEN- Fachgruppe Rote Bete zu zeigen. Hier hochgeladen wird der Vortrag Ende Februar 2024, denn er soll auch für die VEN Mitglieder Überraschung bleiben, die ihn im Rahmen der AG Bildung des VEN nochmal sehen können.

 

Antje Feldmann, Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen (GEH) berichtete über „Aktuelle Projekte und Herausforderungen bei der Erhaltung der Haustierrassenvielfalt“ Video: https://t1p.de/symp2023-Feldmann Für mehr als die Hälfte der Landfläche der Erde gibt es noch gar keine Bestandserfassung. In Deutschland wuchs die Rote Liste gefährdeter Nutztierrassen in den letzten 40 Jahren, seit die GEH sie angelegt hat, aber keine ist ausgestorben. Finanzierung fehlt zunehmend. Der Herdenschutz gegen Beutegreifer ist problematisch, zB im Alpenraum oder beim Deichschutz lassen sich Flächen nicht sicher einzäunen. Wie wird Gefährdung definiert, welches sind die Ziele der Erhaltung? Wie kann der Niedergang des Gelbviehs gestoppt werden, wenn die Milch als Nutzung nicht ausreicht? Einen der seltenen Aufwärtstrends gibt  es bei der Thüringer Waldziege. Beim Angler Rind will ein Projekt die guten Eigenschaften der alten Rassen herausarbeiten, z.B. für Käsereien im Ökobereich. Auch Naturschutz und Landschaftspfelege sind wichtige Einsatzbereiche. Das Arche-projekt besteht seit 1995 und wird mit verschiedenen Projekten weiter entwickelt.

 

Abschließend wurden zwei Projekte vorgestellt:

Karin Weng, Verein Kuhmuhne Schönhagen e.V. führte in den Schaugarten in Schönhagen ein. Der Schaugarten besteht seit 2003 auf den Flächen des gemeinnützigen Vereins Kuhmuhne Schönhagen e.V in Schönhagen bei Bad Heiligenstadt.  Die kreisförmig gestaltete Anlage zeigt  die Einführung vieler Kulturpflanzen nach Mitteleuropa in historischer Reihenfolge. So machen die Besucher bei einem Rundgang eine Zeitreise durch die Gärten der Jungsteinzeit, des Mittelalters bis in die Gegenwart und erfahren dabei woher der Reichtum unserer Nutzpflanzen stammt, sehen die Arten, welche wieder in Vergessenheit geraten sind und erleben wie vielfältig unsere Gärten heute sein könnten.

Der Garten setzt sich unter anderem durch den Aufbau einer Eichsfelder Sortensammlung ein für die Wiederbelebung und den Erhalt alter, besonderer Gemüsesorten, sowie in Vergessenheit geratener Kulturpflanzenarten wie dem Färberwaid und der Haferwurz. Nutzpflanzen, deren Anbau bei uns (noch) nicht üblich aber möglich ist, wie die Erdmandel oder der Spargelsalat, runden die Vielfalt ab.

In Seminaren und speziellen Führungen für alle Altersklassen können die Teilnehmer selbst aktiv werden und einige Themen wie Saatgutvermehrung vertiefen oder z.B. bei unserer Lichterreise mit Leckerbissen einfach nur genießen. Das Jahresprogramm 2024 ist online! Termine

 

Sabine Fortak, Pomologenverein: Buchvorstellung "Standards der Obstbaumpflege“.Empfehlungen für eine fachgerechte Pflege großkroniger Obstbäume.
Streuobstwiesen mit ihren großkronigen Obstbäumen erfahren eine neue öffentliche Beachtung und Wertschätzung. Als Reaktion auf den gravierenden Rückgang der Bestände werden vermehrt Streuobstwiesen neu angelegt und alte Obstbaumbestände wieder in Pflege genommen – oft unterstützt durch Förderprogramme. Allerdings können diese Bemühungen nur erfolgreich sein, wenn die dafür erforderlichen Pflanz-, Pflege- und Schnittarbeiten fachgerecht ausgeführt werden.

Die hier vorliegenden Standards der Obstbaumpflege formulieren Mindestanforderungen an eine fachgerechte Pflege großkroniger Obstbäume. Sie reichen von der Pflanzung über die Pflege und den Aufbauschnitt von Jungbäumen bis zu unterschiedlichen Pflege- und Schnittarbeiten an Ertrags- und Altbäumen – immer unter Berücksichtigung ihrer besonderen Eigenschaften als Kulturpflanzen.

Das Werk wendet sich an Obstbaumpfleger:innen, Kommunen, Behörden, Verbände und auch an Privatpersonen – somit an alle, die Pflanz- oder Pflegearbeiten an Obstbäumen ausschreiben, ausführen oder abnehmen.

Die Standards werden ergänzt durch einen ausführlichen Anhang, der die Anforderungen an eine gute fachliche Praxis bei der Pflege großkroniger Obstbäume begründet und erläutert. Weitere Anhänge regeln den Aufbau einer Oeschbergkrone oder geben Hinweise für die Ausschreibung von Pflegearbeiten an Obstbäumen. Ein umfangreicher Katalog von Musterleistungsbeschreibungen erleichtert die Erstellung von Ausschreibungstexten und Leistungsverzeichnissen. Detaillierte Checklisten bieten Hilfestellungen für die Überprüfung und Abnahme ausgeführter Arbeiten. Abschließend werden in einem umfangreichen Glossar alle in der Obstbaumpflege relevanten Begriffe definiert und erläutert.

Pomologen-Verein e.V. (Hrsg.) : Standards der Obstbaumpflege Pomologen-Verein e.V. (Herausgeber), 1. Auflage, September 2023

 

Danke an alle ReferentInnen und an unseren Kooperationspartner, das Tropengewächshaus der Universität Kassel.  Leider konnte das Symposium nicht wie geplant in Witzenhausen stattfinden, sondern musste kurzfristig Online durchgeführt werden.