Studie und Optionen zu einer Aktualisierung des EU-Saatgutrechts erschienen - Kommentar des Dachverbands

Zur Aktualisierung des Saatgutrechts hat die EU Kommission am 29. April 2021 einen Datenanalysebericht und ein Optionenpapier veröffentlicht.

Zur Webseite der EU über den Vorgang

Der Dachverband hat der EU Kommission erste Kommentare zugesendet. Englisch

Hier das Wichtigste:

Vor 40 Jahren teilte die FAO mit, dass in Industrieländern 90 Prozent der Kulturpflanzen-sorten verloren gingen. Bald darauf wurden in mehreren EU-Mitgliedstaaten Erhalter-organisationen gegründet, die die verbleibende Vielfalt in situ/on farm retteten.

Gleichzeitig bewahrten sie auch das Wissen über Samengärtnerei und die Vielfalt; dieses Wissen war in der Öffentlichkeit beinahe verloren gegangen. Als 1982 ein Buch darüber veröffentlicht wurde, war es das erste seit dem Zweiten Weltkrieg.

Obwohl die traditionellen Landrassen und Sorten nicht amtlich registriert waren, wurden sie von GärtnerInnen, Bäuerinnen und Bauern, sowohl Amateuren als auch Profis, gerettet. Dies ist ein Erfolgsrezept, das nicht im Fokus des Datenanalyseberichts steht.

Wir wollen unsere unregulierte, aber erfolgreiche Erhaltungsarbeit in situ/on farm für die künftigen Generationen und zusammen mit ihnen fortsetzen.

Unser wichtigstes Thema ist daher der Anwendungsbereich der geplanten Gesetzes-aktualisierung. Er sollte auf Unternehmen beschränkt sein, die Saat- und Pflanzgut für die kommerzielle Produktion produzieren und verkaufen. Die aktualisierte Gesetzgebung sollte nicht für NebenerwerbslandwirtInnen und ErhalterInnen gelten, die Saatgut für den Hobbygarten verkaufen. Außerdem sollte der Geltungsbereich der Gesetzgebung die Rechte der Bauern und Bäuerinnen respektieren, die seit 2019 in der UN-Erklärung UNDROP festgeschrieben sind.

Dies würde den notwendigen rechtlichen Raum für die In-situ- / On-Farm-Erhaltung der Kulturpflanzenvielfalt wahren.

Eine der vier vorgestellten Optionen beschränkt den Anwendungsbereich auf den „professionellen Sektor“. Dies ist gut, aber nicht klar genug, wenn Einzelpersonen, die beruflich Samen einer großen Vielfalt nur an Hobbygärtner verkaufen, als „professioneller Sektor“ gelten würden. Sie sollten nicht in den Geltungsbereich fallen.

Diese Akteure, die ausschließlich außerhalb des oben definierten Rechtsbereichs tätig sind, sollten logischer Weise auch nicht verpflichtet sein, sich als „Unternehmer“ nach der weitreichenden Definition des Pflanzengesundheitsrechts zu registrieren.

Ein solches Register war bereits im früheren PRM-Reformvorschlag (KOM/2013) vom 6.5.2013 gemäß Artikel 5  „Amtliches Unternehmerregister“ vorgesehen. Mit dem Artikel  bezog sich der Saatgutrechts-Reformvorschlag auf die damals geplante Pflanzen-gesundheitsverordnung, die jetzt in Kraft, aber noch nicht vollständig umgesetzt ist (Verordnung 2016/2031/EU,  Artikel 65 “Amtliches Unternehmerregister“).

Die Gründe für unsere Forderung haben wir bereits in unserem Schreiben an die Generaldirektion Sante vom 6. Mai 2021 zur Bewertung von Artikel 79 (Pflanzenpass) der Pflanzengesundheitsverordnung aufgezeigt:

„In der überwiegenden Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten gibt es nur wenige oder gar keine Organisationen zur Erhaltung der Vielfalt, die mit Personal und Infrastruktur ausgestattet sind und die in der Pflanzengesundheitsgesetzgebung geforderten Dienstleistungen erbringen könnten. Vielmehr wird die In-situ- / On-Farm-Erhaltung und die damit verbundene Aufklärungsarbeit von zahlreichen Einzelpersonen durchgeführt. Es ist eine soziale Bewegung, deren Akteure nicht institutionalisiert sind und für die eine Registrierung als „Betreiber“ nicht angemessen wäre. ..

Die Förderung der In-situ- / On-Farm-Erhaltung ist seit 1995 im ersten globalen Aktionsplan der FAO als notwendige Grundlage für Schutz und nachhaltige Nutzung der Kulturpflanzenvielfalt international anerkannt. Der Saatgutvertrag der FAO und die Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte der Bauern (UNDROP) verpflichten ihre Unterzeichnerstaaten, die Rahmenbedingungen für den Schutz vor Ort / in landwirtschaftlichen Betrieben in Gärten und Feldern zu unterstützen.“

Der Geltungsbereich des geplanten Saatgutrechts sollte ferner auf die rund 250 Arten mit wirtschaftlicher Bedeutung beschränkt sein, die in den bestehenden Richtlinien aufgeführt sind. Es wäre sehr schädlich für die Vielfalt, nicht nur 250 Arten, sondern alle Arten mit Verwaltungsvorschriften zu belegen, bevor ihre Samen oder Pflanzen produziert oder verkauft werden dürfen.

Für die meisten von uns würde selbst eine „leichtere“ Regelung (im Sinne des Berichts und des Optionsdokuments) zusätzliche Arbeit und Kosten bedeuten, da sie noch nicht einmal die Sorten von 250 bisher regulierten Arten registriert haben. Eventuelle Kostenerstattungs-regeln würden den Verwaltungsaufwand noch weiter erhöhen.

Solche neuen Verpflichtungen wären nicht verhältnismäßig.

Der Großteil der Erhaltung in situ/on farm wird in Europa von einzelnen GärtnerInnen und LandwirtInnen ohne unterstützendes Personal durchgeführt. Sie wachsen, ernten, reinigen, lagern, verpacken, etikettieren und verkaufen kleinste Mengen von Hunderten von Sorten. Viele von ihnen sowie auch Erhalterorganisationen beschreiben die Sorten in ihren Katalogen und unterhalten Online-Shops. Zusätzliche Verwaltungsarbeiten sind einfach nicht möglich, nicht erforderlich und nicht sinnvoll.

Informationen zu traditionellen Sorten sind somit bereits öffentlich verfügbar, eine Voraussetzung, um Geistiges Eigentumsrecht (Sortenschutz, Patente) an diesen Pflanzen zu verhindern, da sie nicht neu und bereits bekannt sind.

Um die Vielfalt der Kulturpflanzen in situ / on farm zu erhalten, bedeutet eine amtliche Registrierung von Sorten wenig Nutzen für den Erhalt der biologischen Vielfalt, sondern eine deutliche Hürde.  

Die Bedeutung des Verkaufs von nicht registrierten Sorten für die In-situ- / On-Farm-Erhaltung wird im Datenanalysebericht kaum behandelt. Dieser Verkauf ist wichtig, damit eine wachsende Anzahl von Menschen, die noch nichts zum Tauschen haben, Saat- und Pflanzgut von traditionellen samenfesten Sorten erwerben können.

Der Datenanalysebericht beschreibt richtig die große Bedeutung öffentlicher Vermarktungs-aktivitäten von Erhalternetzwerken. Nicht erwähnt wird jedoch, dass die dort verkauften traditionellen Sorten selten registriert sind. Seit 2013 hat sich auch die Anzahl der Saatgutfestivals um den Faktor zehn erhöht.

Für die In-situ- / On-Farm-Erhaltung ist nicht nur die Weitergabe von Saatgut, sondern auch die Weitergabe des damit verbundenen Wissens wesentlich. So wird auch Verständnis und die Unterstützung in der Öffentlichkeit generiert.

Um die Qualität sicherzustellen, sind Hobbygärtner, die Samen traditioneller Sorten kaufen, nicht an einer amtlichen Registrierung interessiert,. Vielmehr sind sie an samenfesten Sorten, nicht jedoch Hybriden interessiert (eine Tatsache, die im Analysebericht weitgehend übersehen wird), die ohne Chemikalien gut wachsen und attraktive Eigenschaften für Natur und Selbstversorgung aufweisen.

Sie interessieren sich ebenfalls für die Gärtnernden, die den Samen produziert haben. Der Kontakt wird entweder direkt bei Saatgutfestivals oder über das Internet hergestellt. Sorteninformationen sowie Kenntnisse und Fertigkeiten der Samengärtnerei spielen eine wichtige Rolle.

Potenzielle Probleme mit Sortenidentität, Sortenreinheit und Keimfähigkeit sind ein Risiko von geringer Bedeutung, da die Ausgaben für 10 bis 20 Korn etwa 3 Euro betragen und die Gewinne für Gärten, Umwelt, Gesellschaft und zukünftige Generationen von unschätzbarem Wert sind.

Samengärtnernde, die wiederholt schlechte Qualität anbieten, würden bald dafür bekannt sein und keinen Erfolg haben. Samengärtnernde, die qualitativ hochwertiges Saatgut samenfester Sorten anbieten, überdies begleitet von nützlicher Kommunikation, werden von der Öffentlichkeit geschätzt und verkaufen gut. Skeptiker sind eingeladen, ein Saatgutfestival zu besuchen.

Berichte über Schäden, die wir bei der Erhaltung der landwirtschaftlchen biologischen Vielfalt anrichten, überzeugen uns nicht, da sie gering erscheinen.

Es sollte niemanden überraschen, dass Versuche, die Erhalter der Sortenvielfalt zur amtlichen Registrierung zu verpflichten, in der Vergangenheit auf Widerstand stießen.

Wir bitten Sie (die EU Kommission) um Ihre Kommentare zu unserem Brief und beantworten gerne weitere Fragen.

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Dachverband on PRM report and options.pdf157 KB