Als Gastgeber begrüßt Gunter Backes, Professor am Fachbereich Ökologische Agrarwissenschaften der Uni Kassel mehr als 60 Teilnehmende. Geschmack wird beim Dachverband erstmals thematisiert. Detlef Ulrich, vormals am Julius-Kühn-Institut in Quedlinburg tätig, gibt Einblick in diesen auch sonst selten vertieften Aspekt. Geschmacksempfinden ist unterschiedlich, kann aber trainiert werden. Heute beherrschen Zucker und Geschmacksverstärker die Nahrungsmittel; bei Äpfeln dominieren Süße und Fruchtester die marktgängigen Sorten, während Phenole eher weggezüchtet werden. Ein Konsumententest mit Apfelsorten wird durchgeführt. Hans-Joachim Bannier hatte sie aus seinem Sortengarten Olderdissen mitgebracht.
Abends werden Erfahrungen über die Dürre und Hitze dieses Jahres ausgetauscht. Gemüse-, Obst-, und Getreidesorten reagierten unterschiedlich; Obst hatte oft Rekordernten; Getreide und Futterpflanzen litten besonders. Anbaumethoden wie Mulchen, besonders mit Schafwolle, schützten Gemüse vor Austrocknung. Pilzkrankheiten wie Braunfäule an Tomaten traten seltener auf.
Der Freitag schließt mit einem Hinweis durch Andreas Riekeberg auf die Publikation der ETC Group über: „Konzernmacht und Big-Data-Plattformen im globalen Ernährungssystem: Blocking the Chain“ Die Studie warnt vor einer Machtkonzentration, bei der Hersteller von Landmaschinen künftig Daten über Böden, Inputs und Ernte sammeln und verkaufen können, zum Beispiel an Händler von Inputs oder Versicherungen. Über die Studie und die Gefahren durch digitalisierte Landwirtschaft gibt es einen 3 min Film bei ARTE https://www.arte.tv/de/videos/086019-000-A/gefahr-durch-digitalisierte-landwirtschaft/
Schwerpunkt CRISPR/CAS und Neue Gentechniken: Was ist das und was sagen Ökozüchter dazu
Christoph Then, Testbiotech beantwortet die Fragen: Was ist CRISPR/Cas? Was versprechen die Befürworter der neuen Gentechniken und was sind die Risiken? Warum muss auch CRISPR/Cas als Gentechnik reguliert werden? Genome Editing umgeht die Mechanismen von Genregulation und Vererbung. Sie will Pflanzen und Tiere für bestimmte Zwecke “neu programmieren”. Dabei werden auch Gene verändert, die der herkömmlichen Züchtung nicht zugänglich sind. Beim Genome Editing werden anders als bei Mutationen sämtliche Gen-Kopien / Gen-Cluster mit den gleichen Gen-Informationen zwangsläufig verändert oder gelöscht. Daraus können auch Pflanzen mit neuen biologischen Eigenschaften oder Risiken entstehen. Sollte dies vom Gentechnikgesetz ausgenommen werden, so würden auf diesem Wege entstandene Pflanzen und Tiere ohne Zulassungsverfahren und Kennzeichnung auf den Markt kommen. In diesem Fall gäbe es keine Möglichkeit, die Risiken durch unabhängige Experten zu untersuchen. Niemand wüsste, was angebaut wird; Konsumenten verlören jede Auswahlmöglichkeit. Nicht einmal die Behörden wüssten, welche Pflanzen aus welchen Ländern importiert werden und wonach sie suchen müssten, wenn Schäden an Mensch oder Umwelt entstünden. Die neuen Gentechnikverfahren müssen nach dem bisherigen
Gentechnikrecht behandelt werden. Die Prüfung der Risiken darf sich nicht auf die Ebene der DNA beschränken, sondern muss auch Veränderungen im Stoffwechsel und Kombinationswirkungen berücksichtigen. Die Genom-Daten müssen öffentlich zugänglich sein.
Carl Vollenweider, Getreidezüchter am Dottenfelderhof erläutert „Die Versprechen von CRISPR und was die ökologische Züchtung wirklich braucht“. Die „Gen-Scheren“ sind weder präzise noch sicher, denn sie haben unvorhergesehene Nebenwirkungen. Schon jetzt reklamieren die Erfinder des Base Editing („Gen-Stift“) weit größere Präzision. Trotz der geringen Kosten können die „Gen-Scheren“ nur dann angewendet werden, wenn umfangreiche Genom-Informationen, die jedoch patentiert sein können, zur Verfügung stehen. Eine weite Verbreitung erscheint aus Biosicherheitsgründen ohnehin nicht wünschenswert. Es erscheint sehr zweifelhaft, ob so etwas wie Klimagene, Ertragsgene oder Qualitätsgene existiert. Die neue Gentechnik mit Züchtung gleichzusetzen, ist vor dem Hintergrund der trotzdem nötigen Züchtungsarbeit an den Pflanzen im Feld ein falscher Anspruch.
Hans-Joachim Bannier, Pomologenverein/Züchtungsinitiative Apfel:gut: Das Märchen vom Wildapfel-Gen, das (mit CRISPR/Cas) den Apfelanbau retten soll LINK Als Beispiel nennen Befürworter von CrisprCas ein Wildapfel-Gen, das moderne Apfelsorten schorfresistent machen könnte. Genau das ist jedoch mit herkömmlicher Züchtung schon passiert. Wie viele andere monogenetische Resistenzen wurde auch diese durch den Schorfpilz bald durchbrochen. Die CRISPR/Cas-Befürworter halten das für unausweichlich, der Züchter müsse den Erregern wie Hase und Igel immer einen Schritt voraus sein. Das ist Ideologie, sagt Hans-Joachim Bannier, denn viele alte Apfelsorten sind, manchmal seit hunderten von Jahren, aufgrund ihrer Vitalität wenig anfällig für die wichtigsten heutigen Probleme: Schorf, Krebs und Mehltau. Erst die moderne Apfelzüchtung hat die Anfälligkeit in allen modernen Sorten verankert, in dem nur wenige, und sehr anfällige Sorten, nämlich Golden Delicious, Jonathan, McIntosh und Cox Orange, zur Grundlage für sämtliche modernen Sorten gewählt wurden. Mit der Anfälligkeit wurde die Agrarchemie von den Züchtern als unausweichlich akzeptiert. Auch Bio-Obstbauern brauchen Pflanzenschutz, wenn sie moderne Sorten wählen. Mit Crispr/Cas könnte die Ideologie der modernen Sorten weiter verfestigt werden.
Aus Projekten und Organisationen
Shimeles Tassew, Vorsitzender Internationale Gärten e.V.-Göttingen: Willkommensgärten LINK Der Göttinger Verein bietet den Geflüchteten nicht nur eine Gartenparzelle, sondern integriert sie auch mit einigem Erfolg in alle Vereinsstrukturen.
Die Arbeit der Erhalter-Ringe im VEN, die 2017 etabliert wurde, stellt Markus Schink, VEN-Vorstandsmitglied, vor. Von Fachgruppen ausgewählte Sorten (derzeit: Bohnen und Tomaten) werden jeweils durch mehrere Personen vermehrt und beobachtet; ein Teil des Saatguts geht an die Fachgruppe zurück, ein anderer kann über die Saatgutliste der Öffentlichkeit angeboten werden. Die Ringstruktur, bei der sich Erhalter gegenseitig unterstützen, kann die Betreuung durch die Fachgruppen entlasten. LINK
Peter Szekeres vom Lüneburger Saatgutfestival erläutert die Deskription von Gartenbohnen nach einem selbst entwickelten Verfahren; vorhandene Verfahren weisen erhebliche Lücken auf. Die neue Beschreibung von Form und Farbe von Bohnensamen ist eindeutig und lässt sich mit einem Zahlencode erfassen. LINK
Schwerpunkt: Vielfalt im Erwerbsanbau - Potenziale und Grenzen
Iris Förster, PSR Deutschland berichtet über die Erfahrungen von Pro Specie Rara. Das Projekt „Vielfalt schmeckt“ wird gemeinsam mit Rinklin Naturkost durchgeführt. Zwölf Sorten aus der Roten Liste waren im Anbau mit sehr unterschiedlichen Ergebnissen.
Anbau und Vermarktung alter Gemüsesorten durch das SaatGut Erhalter-Netzwerk-Ost berichtet Annika Grabau, HU Berlin.Ziel ist Onfarm-Erhaltung und Partizipative Erhaltungszüchtung. 200 Sorten aus Genbanken wurden ausgewertet und viele in schlechtem Zustand vorgefunden. Vier davon konnten inzwischen für die Saatgut-Vermarktung angemeldet werden und sind bei VERN und Samenbau Nordost zu haben. Das Gemüse wird direkt vermarktet.
Antonia Ley berichtet über die Saatgutinitiative Dorfgarten Hebenshausen https://dorfgarten.org/anbaue.html, bei der sich 46 Betriebe beteilige. Zwei Drittel davon nutzen ausschließlich samenfeste Sorten. Die Solawis der Region Nord im Solawi-Netzwerk haben das nötige Wissen und Absprachen über die Vermehrung getroffen. Allerdings kosten Reinigung und Lagerung viel Zeit, und separate Vermehrungsflächen sind selten verfügbar. Die nächsten Schritte sind eher bei der Jungpflanzenanzucht zu sehen.
Die vier Hektar umfassende Gemüsegärtnerei des Werkhof Dortmund http://werkhof-diegaertnerei.de/ ist Teil einer großen Einrichtung in der Sozialarbeit mit Schwesterfirmen wie der,Abokiste. Rita Breker-Kremer berichtet über die Vielfaltsaktivitäten im Gemüseanbau. Es gibt einen Vermehrungsgarten, und neu ist eine Akademie für Schulgärten. Es wird Versuchsanbau für Bingenheimer Saatgut durchgeführt, ebenso Verkostungen und andere Veranstaltungen zum Thema Vielfalt. Für die Abokiste eignen sich alte Sorten wegen des höheren Preises kaum.
Jeannette Lange, Landwirtin und Tierärztin, Gut Wellingerode und Odette Weedon, Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Uni Kassel, berichten über Erfahrungen mit Weizenpopulationen. Die Bodenfruchtbarkeit wird über Fruchtfolge und Mischfruchtanbau erhalten und verbessert; die Produkte werden im eigenen Betrieb verfüttert. Der Mischfruchtanbau hilft, verschiedene Bodenschichten zu erschließen. Es wurden Populationssorten und kommerzielle Sorten verglichen. Weniger Ertrag der Populationssorten bedeutete aber keine Einbußen, denn auch der Aufwand war geringer. Mehr generelle Resilienz bei den Populationssorten steht einzelnen Resistenzen bei kommerziellen Sorten gegenüber. Der eigene Nachbau bringt Unabhängigkeit in den Betrieb. Odette Weedon hat Referenzsorten aus dem Ökolandbau genutzt. Alle zwölf Populationssorten haben gute Ergebnisse hinsichtlich Braunrost erbracht. 2017 waren die Populationssorten genauso gut wie die Referenzsorten; nur Hybride waren besser. Odette weist darauf hin, dass die neue EU-Ökoverordnung ab 2021 gelten soll; darin sind Zulassungskriterien für heterogene Populationen vorgesehen.
Svenja Holst von der Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft (ABL) NRW: Saatgut: Vielfalt in Bauern- und Gärtnerhand erläutert die bisherigen Ergebnisse und weiteren Pläne ihres Projekts LINK Diskussions- und Bildungsveranstaltungen zum Getreide- und Gemüseanbau haben bereits stattgefunden; einige weitere Aktivitäten geplant. Viele Erwerbsgärtnereien sind motiviert, aber die Umsetzung ist nicht leicht. Die bisherige Erfahrung: Man sollte sich nicht zuviel vornehmen. Eine Sorte pro Kultur ist ein guter Anfang.
Die anschließende öffentliche Ausstellung von über 160 Apfelsorten mit Sortenbestimmung durch Hans-Joachim Bannier zog viele Besucher an.