Bericht über das 8. Symposium 29.11. - 1.12. 2013 in Witzenhausen

Der Dachverband Kulturpflanzen- und Nutztiervielfalt e.V. veranstaltete sein jährliches Symposium zum zweiten Mal in Witzenhausen und war zu Gast beim Fachbereich Ökologische Agrarwissenschaften.

Die fast fünfzig Teilnehmer des 8. Symposiums begrüßte Susanne Gura vom Vorstand des Dachverband Kulturpflanzen- und Nutztiervielfalt. Prof. Gunter Backes, Lehrstuhlinhaber für Ökologische Pflanzenzüchtung und Agrarbiodiversität der Universität Kassel, stellte seine Aktivitäten und Pläne vor.

Zum Gemüse des Jahres 2013/2014, den Allium-Arten, gab der Biologe und Mitbegründer des Dachverbands Thomas Gladis einen informativen und unterhaltsamen Überblick mit dem Titel „Die Zwiebel ziert, heilt, würzt und speist - der Lauch tut's auch!“ Viele Allium-Arten sind praktisch unbekannt und sollen nun durch mehr öffentliche Aufmerksamkeit Interesse für die Vielfalt wecken, beispielsweise der Weinberglauch, der chemiefreie Weinberge zum Lebensraum hat. Gemüse des Jahres (2015/2016) werden die Capsicum-Arten Chili und Paprika, und 2017/2018 die Steckrübe. Alexander Artmann und Norbert Szabautzki stellten die VEN-Pläne vor und riefen zur Mitarbeit in der AG Gemüse des Jahres auf.

Dass eine Datenbank noch keine Erhaltung bedeutet, daran erinnerte Bettina Orthmann vom Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum Rheinhessen – Nahe – Hunsrück. Ein Bedarf an Erfahrungsaustausch zwischen Datenbanken sei an der Zeit, war ein Fazit der Diskussion. Ein anderes betraf die Vermarktung: Bei Vielfaltssorten seien die Vermarktungsmöglichkeiten beschränkter als oft vermutet würde. Nur ein geringer Teil der Sorten eigne sich zur Herstellung vermarktbarer Produkte.

Wie kann Erhaltung effizient organisiert werden? Hierzu trägt ein Netzwerk im Raum Brandenburg bei, in dem über ein Modell- und Demonstrationsvorhaben gefördertes Projekt Sorten-Erhalter gegen ein kleines Entgelt eine Sorte über eine Anbausaison hinweg beschreiben, erläuterte Cornelia Lehmann von der HU Berlin. Das teils aus der Genbank Gatersleben bezogene Material sei oft uneinheitlich.  Ursula Reinhard stellte die ehrenamtliche Patenarbeit im Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt vor. Die ca 200 Sorten-Paten beobachten und beschreiben eine Sorte meist über fünf Jahre und geben dann vermehrtes Saatgut an den Verein zurück. So lassen sich besonders gefährdete Sorten pflegen und neue Erkenntnisse darüber gewinnen, aber auch für regionale Sorten wie die Hildesheimer Einbohne neue Freunde gewinnen. Die Patenarbeit beschränkt sich noch auf Selbstbefruchter. Erstmalig wird 2014 ein Einführungsworkshop stattfinden.

Das Projekt der Gesellschaft zur Erhaltung der Haustierrassenvielfalt (GEH) über Netzwerke zur Erhaltung von zehn gefährdeten Nutztierrassen, das Antje Feldmann vorstellte, weckte großes Interesse bei den überwiegend im Pflanzenbereich tätigen Teilnehmern; eine Einladung zur Besichtigung von GEH Erhaltungsprojekten beim nächsten Symposium nahmen sie gerne an.

Mit einer Vielfalt an Maiskolben von etwa 30 Maissorten unterschiedlicher Farben, Formen und Größen beeindruckte Martin Haefeli von Anhalonium die Teilnehmer.

Die Reform des EU- Saatgutrechts könnte den Verkauf von Saatgut dieser und der meisten anderen Kulturpflanzensorten oft unmöglich machen. Susanne Gura vom Dachverband erläuterte die geplanten Verwaltungsauflagen, wenn Sortenzulassung bzw. Meldungen über Anbau und Verkauf auch kleinster Mengen Pflicht würden, wie es die bisherigen Entwürfe vorsehen. Den freien Tausch zu erlauben, genügt nicht, denn neue Interessierte haben nichts zu tauschen. Vielfaltssorten muss es weiterhin als Saat- und Pflanzgut zu kaufen geben. Kleinste Mengen von Saatgut getrennt nach zahlreichen Sorten vermehren, beobachten, selektieren, ernten, lagern, eintüten, und bei jedem Schritt beschriften um Verwechslungen auszuschließen, ist ein wesentlich höherer Aufwand, als große Mengen von wenigen Sorten zu produzieren. Sie ermutigte die Teilnehmer, EU-Parlamentarier um Unterstützung zu bitten, denn nur noch wenige Tage können diese Änderungsanträge einreichen. Sie verwies auf die nützlichen Beschlüsse des deutschen Bundesrates und des bayrischen Landtags. Arche Noah hat Änderungsanträge erarbeitet, auf die zurückgegriffen werden kann, und europäische Workshops durchgeführt, deren Teilnehmer kürzlich eine Deklaration publiziert haben.

Das EU Saatgutrecht beschäftigt auch das Netzwerk SEED in Luxemburg, das Georges Moes vorstellte; dort wurden die EU-Parlamentarier bereits kontaktiert. Das Netzwerk ist ein Zusammenschluss aus Naturschutz- und Erhalterorganisationen. Trotz seiner Neuheit wurde es bereits mit einem Preis geehrt.

Shimeles Tassew ist einer der Gründer der „Internationale Gärten e.V.“ Am Beispiel Göttingen stellte er vor, wie die über 140 internationalen Gärten gegenseitige Integration, Nutzgarten-Bildungsarbeit, Erholung und Erhaltung von Kulturpflanzenvielfalt leisten können.

Marina Hethke stellte das Bildungsmodul „Urban Biodiversity Trail“ von Johanna Lochner vor. Das kompetenzorientierte Angebot richtet sich an junge Erwachsene. Es dreht sich um pflanzliche Vielfalt im Alltag und ermöglicht den Teilnehmenden spielerisch den Weg vom Wissen zum Handeln. Den Gemeinschaftsgarten Querbeet in Leipzig präsentierte Johannes Timäus. In Witzenhausen wurde im Rahmen einer Bachelor-Arbeit von Henrik Brand ein öffentlicher Schaugarten im Kontext „Transition Town – essbare Stadt“ konzipiert,

Die während des Symposiums gezeigte  Ausstellung „Kürbis, Kiwano & Co. – vom Nutzen der Vielfalt“  stammt aus einer Kooperation des VEN mit dem Tropengewächshaus. Die Ausstellung kann ausgeliehen werden; eine Ergänzung der Tafeln durch Kürbisfrüchte erfordert zwei Jahren Vorlaufzeit.

Eine Besichtigung des Tropengewächshauses, geführt von der Kuratorin Marina Hethke, ein Besuch des Transition Town Hauses Witzenhausen und eine Besichtigung der Baumschule Walsetal von Ulrike Laesker-Bauer in Dietzenrode rundeten das Symposium ab.

Wir bedanken uns bei den Gastgebern für die Unterstützung und für die Einladung, das 9. Symposium von 28.bis 30.11.2014 wieder in Witzenhausen auszurichten. Dank gebührt auch der Stiftung Hessischer Naturschutz für die finanzielle Unterstützung.

  Gefördert durch die Stiftung Hessischer Naturschutz