Bericht vom 10. Symposium Kulturpflanzen- und Nutztiervielfalt 27.-29.11.2015 in Witzenhausen

Ziele der Symposien des Dachverbands sind fachlicher Austausch und persönliches Kennenlernen der Erhalter landwirtschaftlicher Vielfalt  aus den verschiedenen Bereichen (Getreide, Gemüse, Obst, Medizinalpflanzen, Zierpflanzen, Nutztiere) und Regionen.

Als Vertreter der Universität Kassel und des „Gewächshaus für tropische Nutzpflanzen, Witzenhausen“ begrüßten Gunter Backes und Marina Hethke sowie Susanne Gura vom Vorstand des Dachverbandes rund 40 Teilnehmende.

Wie unterschiedlich das Nagoya-Protokoll der Konvention über Biologische Vielfalt (CBD) und der internationale Saatgutvertrag der FAO den Zugang zu genetischen Ressourcen und den Vorteilsausgleich aus ihrer Nutzung regeln, erläuterte in ihrem Vortrag Marliese von den Driesch (BLE) in Vertretung des Bundeslandwirtschaftsministeriums.

An der Mittelmosel wird eine Saatgutbibliothek aufgebaut. Dort kann man Saatgut von traditionellen Sorten für den eigenen Anbau entnehmen und nach der Samenernte abgeben, erläuterte Annette Fehrholz. In 11 Gärten von Mitgliedern werden über 50 Sorten aus der Bibliothek vermehrt. Darunter hat die Bengeler Zuckererbse Simon bereits lokale Prominenz. 

Samengärten in Deutschland, unter diesem Titel fasste Thomas Gladis seine Analyse des Verfalls und Wiederaufstiegs der landwirtschaftlichen Vielfalt zusammen. Bei der staatlichen Förderung steht die einseitige Orientierung auf  die Vermarktung der Erhaltung der Vielfalt eher im Weg, als sie zu fördern. Viele Sorten eignen sich für eine Nutzung im Hausgarten, aber kaum für eine Vermarktung. Anstatt einzelne Sorten auf den Markt zu bringen, müssen Förderansätze gute Bedingungen für die Weiterentwicklung der landwirtschaftlichen Vielfalt unterstützen.

In der Schweiz trägt Hortus Officinarum mit staatlich geförderten Projekten zu den Informationen über Erhaltungssammlungen des Nationalen Aktionsplanes vor allem über Medizinalpflanzen bei, berichtete Ruth Richter. Auch das traditionelle Wissen wird inventarisiert.

Cornelia Lehmann vom VERN und der Humboldt-Universität erprobte in einem staatlich geförderten Projekt Kohl-Herkünfte aus der Genbank Gatersleben. Einige davon haben ausreichende Sorteneinheitlichkeit und Eigenschaften, die für den Anbau interessant sein könnten.

Alexander Artmann stellte eine Reihe von Chiliarten und -sorten vor, die im Rahmen des Gemüse des Jahres 2015-2016 im VEN vermehrt und beschrieben werden. Viele sind in der Sortendatenbank verfügbar, ebenso wie ein Bestimmungsschlüssel. Die Teilnehmenden des Symposiums nahmen die Gelegenheit zur Verkostung gerne wahr.

Fünf Pomologen - Sechs Meinungen, oder: Sind die Pomologen angesichts genetischer Fingerprints überflüssig? Wie die  Sortenbestimmung im Pomologenverein organisiert ist, erläuterte Hans-Joachim Bannier. Genetische Fingerprints können dabei nur wenig ergänzen.

Philippe Catinaud berichtete aus dem französischen Netzwerk bäuerliches Saatgut (RSP-Réseau Semences Paysannes), dem über 80 Erhalterinitiativen zugehören. Es wurde 2003 gegründet und veranstaltet alle zwei Jahre mehrtägige internationale Treffen mit mehreren hundert Teilnehmern. RSP ist darüber hinaus bei der Vorbereitung der europäischen Treffen „Let’s Liberate Diversity“ aktiv. Der Dachverband ist Mitglied der Koordinierungsgruppe. Ein Dankeschön für die Übersetzungsarbeit an Frank Adams vom luxemburgischen Verein SEED!

In diesem Jahr stellten sich besonders viele Initiativen zum Thema Bildungsarbeit vor:

  • Streuobstpädagogik für Grund- und Hauptschüler hat Beate Holderied aus dem schwäbischen Weil im Schönbuch entwickelt; die Kinder werden mit allen Sinnen und Bewegung für landwirtschaftliche Vielfalt begeistert.

  • Die Schulgartenarbeit der Klassen 5-10 verschiedener Schulen in Baden-Württemberg hat Iris Förster von Pro Specie Rara mit Samenbau-Unterricht bereichert.

  • Für Grundschüler ist der Kreislauf vom Samenkorn zum Samenkorn eine völlig neue Erfahrung, berichtete Annette Fehrholz aus ihrer Arbeit an der Mittelmosel.

  • Mit Hilfe der GemüseAckerdemie in Berlin lernen Kinder, wo Lebensmittel herkommen, wie diese angebaut werden und wie man bewusst mit ihnen umgeht, erläuterte Thomas Gladis.

  • In den Lehrfilm zur Samengärtnerei von Longo Mai führte Andreas Riekeberg ein. Er besteht aus Abschnitten zu verschiedenen Kulturpflanzen und steht in vielen Sprachen zur Verfügung.

  • Susanne Gura zog als bisheriges Fazit aus dem Bildungsprojekt des Dachverbands „Vielfalt bewahren – Wie geht das?“: Das Projekt deckt mit seiner orientierenden Bildungsarbeit einen echten Bedarf, der die ausführlicheren Seminare der Erhalterorganisationen gut ergänzt. Das Projekt erstellt auf der Grundlage von bisherigen Erfahrungen Materialien für die Bildungsarbeit mit  Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern und motiviert Bildungseinrichtungen zu Programmen über landwirtschaftliche Vielfalt.

Die Führung der Kuratorin Marina Hethke durch das Tropengewächshauses war für viele nicht die erste - und bestimmt auch nicht die letzte. Die Kulturen werden unterhaltsam und lehrreich präsentiert - jedes Mal sind andere dabei..

Im Workshop über Saatgutreinigung, angeboten von Catherina Merx vom Tropengewächshaus zusammen mit Thomas Gladis lernten die Teilnehmenden, dass nicht teures Equipment, sondern Wissen und Erfahrung das Wichtigste sind.  Passend zurecht gedrückte Pappteller können gute Dienste bei der Trennung von Spreu und Samen leisten, so dass sie manchmal über Jahre genutzt werden - für jede Kulturpflanzenart das passende Pappwerkzeug.   

In diesem Jahr wurden die Dreschflegel-Vermehrungsbetriebe von Stefi Clar und Quirin Wember in Ellingerode besucht. Bei größeren Saatgutmengen kommt natürlich keine Pappe zum Einsatz, sondern neben Sieben werden Maschinen zum Trennen und zum Eintüten genutzt. Daneben nehmen sich die beiden Zeit für die politische Arbeit und die Redaktion von Saaten und Taten.

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Annette Fehrholz 1.82 MB