Bericht vom 12. Symposium Kulturpflanzen- und Nutztiervielfalt 24.-26.11.2017

Prof Backes vom Fachbereich Ökologische Agrarwissenschaften der Uni Kassel begrüßt als Gastgeber fast 50 Teilnehmende. Er weist darauf hin, dass der Fachbereich en neues Projekt zur Vielfalt des Hanfes auf den Weg gebracht hat. Zu Beginn findet eine Führung durch das Tropengewächshaus der Universität Kassel statt. Marina Hethke, Kuratorin, führt auch durch die Außenanlagen, in denen noch Samenträger von einigen Steckrüben-Sorten stehen. Nach Jahrzehnten der Vernachlässigung stehen bei Steckrüben nur noch wenige Sorten zur Verfügung. Der Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt hatte die Steckrübe zum Gemüse der Jahre 2017-18  gekürt, um an die Kriegswinter zu erinnern und dem Gemüse wieder mehr Interesse zu verschaffen. Heute erobert die Steckrübe als vielseitiges, lagerfähiges und klimafreundliches Gemüse wieder die Teller und Regale. Durch die Botanik der Kohlgewächse führte Thomas Gladis anschließend in seinem Vortrag „Vom Wildkohl zum Kulturkohl“. Thomas ist der Mitbegründer des 2009 gegründeten Dachverbands Kulturpflanzen- und Nutztiervielfalt. Heute arbeitet er bei der „GemüseAckerdemie“, die derzeit dazu aufruft, Saatgut regionaler Sorten für Schulgärten zu erzeugen. 

Einer der Schwerpunkte des Symposiums war das Thema „Kulturlandschaften“ . Der Imker Michael Grolm gibt mit seinem beeindruckend bebilderten Vortrag „Heckenlandschaften in Europa – gestern, heute, morgen“ einen umfangreichen Überblick über Hecken- und Feldbaumkultur in Europa und analysiert die Ursachen ihres Rückgangs.

Heribert Gensicki und Stefan Bücking vom Heimatverein Ottenhausen bei Höxter in NRW berichten über ihre Erfolge, das Dorf, das einstmals mit Abwanderung zu kämpfen hatte, seit den 1980er Jahren durch Begrünung und diverse Naturschutzmaßnahmen attraktiv zu machen. Maßnahmen ökologischen Landschaftsgestaltung (Pflanzung von Hecken und Obstalleen, Pflege der Kopfweiden, Anlage von Feuchtwiesen und Flechthecken etc.) sind ebenso fester Bestandteil ihres Engagements wie die Begrünung von Ortsstraßen und Hausfassaden. Inzwischen gibt es kaum noch Leerstand im Dorf. Eine eigene Stiftung, die (mit Unterstützung der 'NRW-Stiftung') Ländereien aufkauft und (unter ökologischen Vorgaben) an Landwirte verpachtet, ist Bestandteil ihres ökologisch ausgerichteten Konzepts. Der Titel „Golddorf“ (beim Bundespreis 'Unser Dorf soll schöner werden') wegen seiner "Vorbildfunktionen eines ökologischen Dorfes der Zukunft" war angesichts dieses Engagements nur folgerichtig. Das Geheimnis des Erfolgs heisst in erster Linie Überzeugungsarbeit, auch um genügend „Keuler“ (ehrenamtlichen Helfer) zu motivieren. Nur wo nötig, wurde der Naturschutz rechtlich durchgesetzt. Link zum Vortrag

Sabine Marten berichtet über die Ökolandbau Modellregion Nordhessen. Mit vielen neuen Ideen werden Ökoprodukte verschiedener HerstellerInnen in der Region vermarktet – besonderes Interesse findet der „Biomat“, ein Automat für Bioprodukte. Elektroionische und physische Kommunikationsmittel werden bei der Vermarktung kombiniert. Link zum Vortrag

Ein zweiter Schwerpunkt des 12.Symposiums ist die staatliche Förderung. Die Schweiz geht beispielhaft voran. Seit 1999 werden in der Regel vierjährige Projekte gefördert, mit vier Millionen Franken jährlich. Agnès Bourquì berichtet über ihre Koordinierungsarbeit bei der schweizerischen Kommission über pflanzengenetische Ressourcen.

Matthias Ziegler ist als Leiter des Informationszentrums Biologische Vielfalt in der Bundesanstalt für Ernährung und Landwirtschaft (BLE) tätig, die dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft nachgeordnet ist. Zum Thema On-farm-Erhaltung stellt er das Konzept „Kompetenzzentren onfarm-Erhaltung“ vor. Die Bundesländer haben derartige Kompetenzzentren identifiziert, oftmals sind es Einrichtungen der Behörden.

Im Bundesprogramm „Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz“ existiert ein Fördergrundsatz „Genetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft“, der bisher nur im Tierbereich und nur in Brandenburg auch für Kulturpflanzen genutzt wurde. Ein wichtiger Grund ist war die Beschränkung der Zuwendungsempfänger auf Landwirte. ErhalterInnen von Kulturpflanzen sind jedoch meist keine Landwirte. Der Dachverband setzte sich deshalb schon seit Jahren für eine Änderung der Förderregelungen ein.

Der aktuelle Entwurf einer Neufassung des Fördergrundsatzes ermöglicht nun erstmals auch die Förderung von Nichtlandwirten und enthält viele neue Möglichkeiten einer Förderung, weshalb der Dachverband den Entwurf begrüßt. Eine weitere Verbesserung ist die Möglichkeit, nicht zugelassene Sorten zu fördern. Allerdings sollte sichergestellt sein, dass ehemals zugelassene Sorten, bei denen der Sortenschutz weiterbesteht, ebenfalls gefördert werden dürfen. Das Beispiel der Kartoffel Linda hatte gezeigt, dass solche Sorten nicht vermehrt werden dürfen und deswegen - je nach Keimfähigkeitsdauer der Art – sehr schnell vom Aussterben bedroht sind. Die Züchter nutzen ihren fortlaufenden Sortenschutz zur Steuerung des Marktes und bringen eine ähnliche Sorte in die selbst geschaffene Marktlücke.

Nun müssen die Bundesländer, die für den Erhalt genetischer Ressourcen zuständig sind, die Umsetzung des Fördergrundsatzes vorbereiten. Der Dachverband hat bereits die Länderminister angeschrieben. Er rät den Erhalterorganisationen, die Länderminister zu ihren Aktivitäten einzuladen. Bisher kennen eine Reihe von Ministerien die on farm Erhaltungsaktivitäten kaum und würden sie daher weder bei Förderungen noch bei politischen Entscheidungen mitberücksichtigen. Der GAK-Fördergrundsatz wird auch für ex situ Erhaltung gelten und Evaluierung von Genbankmaterial einschließen. Es wurde darauf hingewiesen, dass dies z.B. für die Hybridisierung von Weizen eine Rolle spielt, denn die aktuell zugelassenen Weizensorten können wegen ihrer Ähnlichkeit wenig Hybrideffekte erzielen.

Rote Listen würden bei der Förderung voraussichtlich eine wichtige Rolle spielen. Anders als bei Nutztierrassen, die auf die Gesellschaft zur Erhaltung der Haustierrassenvielfalt zurückgeht, hat für Kulturpflanzen das Bundesministerium eine Auflistung angelegt. Informationsgrundlage waren vor allem die Bestände der Genbanken.

Eine gründliche Überarbeitung der Roten Liste Gemüse wurde im Rahmen eines staatlich geförderten Projektes an der HU Berlin erstellt. Leider stand die Bearbeiterin wegen eines Krankheitsfalles nicht als Referentin zur Verfügung. Die Datenbank ist als Preview einsehbar und nun für die Öffentlichkeit freigegeben: https://pgrdeu-preview.ble.de/rlistgemuese/search. Sie wurde auf der Grundlage von Züchterkatalogen bis 1950 erstellt. Um die heutige Verfügbarkeit von Saatgut festzustellen, wurden die Genbankbestände sowie die aktuellen Kataloge von fünf Saatgutinitiativen geprüft. Alle nicht verfügbaren Sorten gelten somit als verschollen. Sorten, die außerdem von diesen oder anderen Erhalterinitiativen (allein im Dachverband sind 22) angeboten werden, gelten demnach staatlicherseits als nicht gefährdet. Susanne Gura vom Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt weist daraufhin, dass die Grundlage der Roten Liste die Züchterkataloge bilden, die in erster Linie Sorten für den gewerblichen Anbau angeboten haben. Sorten, die in privaten Gärten entwickelt und vom VEN seit 30 Jahren gesammelt wurden, sind eher nicht vertreten. Die Datei sollte nun daraufhin geprüft und ggf ergänzt werden. Bei der bisherigen Roten Liste wurden Ergänzungswünsche im BEKO beraten und regelmäßig problemlos akzeptiert.

Die Rote Liste kann für die Öffentlichkeitsarbeit sehr nützlich sein. Bei der Vermarktung von Produkten hat ProSpecieRara seit langem Erfahrung in der Schweiz mit Coop gesammelt und nutzt diese nun mit der Supermarktkette Rinklin in Baden Württemberg. Es werden ca 10 Rote-Liste-Sorten angeboten. Schwierigkeit ist, genügend Ware anbieten zu können, da diese Sorten im gewerblichen Anbau oft weniger berechenbar sind. 

Johannes Kotschi von Agrecol stellt die Initiative OpenSourceSeeds vor.  Sie folgt dem Modell von OSSI, das nach dem Beispiel der OpenSource Lizenz im Software-Bereich entwickelt wurde. OSSI nutzt  „pledge“ (Versprechen) als Grundlage für die Lizenz, während OpenSourceSeeds zivilrechtlich vorgeht und auf einer Kette von Verträgen beruht. Rechtlich durchsetzbar ist diese Lizenz jedoch eher nicht.

Susanne Gura erläuterte, dass mithilfe eines Phänotyps-Vergleiches der Dachverband und andere Organisationen den bereits bewilligten Sortenschutz der Birne Oksana in den Schlichtungsgremien des EU-Sortenschutzamtes CPVO erfolgreich angefochten haben. Diese Vorgehensweise erfordert jedoch eine Kontrolle der Sortenschutztitel bzw des Marktes, die im pomologischen Bereich eher möglich ist, wegen anderer Vermehrungs- und Züchtungsmethoden sowie anderer Sortenbestimmungsmöglichkeiten. Das Nagoya-Protokoll wird von den Züchterverbänden hart bekämpft und hat bei UPOV kaum Durchsetzungsmöglichkeiten. Die Komponenten vieler Kulturpflanzen sind schwierig nachzuvollziehen. In Deutschland bekam es erst 10 Jahre nach seinem Abschluss Gesetzeskraft.  Die Züchterverbände bieten statt Nagoya pauschalen Vorteilsausgleich im Rahmen des FAO Saatgutvertrages an. Annette Fehrholz unterstreicht, dass die Rechtswirklichkeit ganz anders aussehen kann, wie das Beispiel des Inverkehrsbringens von nicht zugelassenen seltenen Sorten zeigt. Trotzdem kann das Modell Saatgut als Gemeingut hohe Symbolkraft und Öffentlichkeitswirksamkeit haben. Es ist durchaus möglich, dass Gemeingut-Sorten auch als Verkaufsargument in Supermärkten auftauchen. Susanne Gura erinnert noch daran, dass nicht Sorten patentiert werden dürfen, sondern Gene. Falls CrisprCas Methoden nicht als Gentechnik gelten werden, könnte der Sortenschutz ein wichtiger Weg zum Geistigen Eigentum werden, da der Sortenschutz, anders als Patente, keine Veröffentlichung der angewendeten Methoden erfordert. So wird der Markt nicht erfahren, ob CrisprCas-Methoden zur Entwicklung einer Sorte angewendet worden sind.

Das nächste Symposium ist für den 23.-25.11.2018 in Witzenhausen geplant.