4. Symposium Kulturpflanzen- und Nutztiervielfalt in Dessau, 5. - 6. März 2010

Der Dachverband Kulturpflanzen- und Nutztiervielfalt e. V. wurde im November 2009 nach drei Symposien gegründet. Er steht Initiativen und Organisationen offen, die ihre Aktivitäten zur Förderung der landwirtschaftlichen Vielfalt miteinander abstimmen und bündeln wollen. Nicht nur die landwirtschaftliche Vielfalt ist für das kulturelle Erbe der Menschheit, die Ernährung und die Kulturlandschaften von existenzieller Bedeutung, sondern auch die Menschen, die diese Vielfalt erhalten und weiterentwickeln. Vorstandsmitglied Susanne Gura eröffnet die Tagung und spricht dem Umweltbundesamt (UBA) in Dessau für die Überlassung des Tagungsraumes und bei der Evangelischen Akademie Wittenberg sowie der Sparkasse Dessau für die finanzielle Unterstützung, und Jörg Schuboth, Thomas Penndorf, Tom Leukefeld und Conny Wiethaler für die organisatorischen Leistungen Dank aus.

Das Symposium dient der Information und dem Austausch über die anstehende Reform der EU-Agrarpolitik sowie die nationale Agrobiodiversitätspolitik, über neue und in Vorbereitung befindliche Richtlinien und Verordnungen, und über Erfahrungen bei der regionalen Erhaltungsarbeit.

Dietrich Schulz, UBA, erläutert die Rolle der Landwirtschaft in der deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel, sowie die Reform der EU Agrarpolitik und die Möglichkeiten, v. a. im Rahmen der Zweiten Säule auch die Biodiversität zu fördern. Frank Glante, UBA berichtet über die Biodiversitäts-Strategie der Bundesregierung. Das UBA arbeitet vor allem zum Thema Nährstoffe und Böden. Die EU will bis 2013 ca 1,5 Milliarden Euro für den Erhalt der Biologischen Vielfalt in ländlichen Räumen ausgeben (Stand Ende Januar).

Stefan Schröder, Informations- und Koordinationszentrum Biologische Vielfalt des Bundesamts für Ernährung und Landwirtschaft, führt in die Strukturen der nationalen Agrobiodiversitätspolitik ein. Die Förderung der landwirtschaftlichen Vielfalt durch das ELER/GAK-Programm ist vorgesehen, funktioniert bei Nutztierrassen in vielen Bundesländern, bei Kulturpflanzen kaum. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen Stellungnahme vom November 2009 hat für die GAP-Reform neue Honorierungsformen vorgeschlagen. Durch Modell- und Demonstrationsvorhaben werden eine Reihe Vorhaben gefördert (s. Veranstaltung 21/22. April). Auch das im Tierzuchtgesetz geregelte Monitoring der Rassenvielfalt bei den Nutztierhaltern wird erläutert. Drei Listen von Kulturpflanzen wurden erstellt: Liste förderfähiger Sorten im Rahmen der GAK-Richtlinie; Referenzliste im Rahmen der Erhaltungssortenrichtlinie; Erstellung einer „Roten Liste“ der gefährdeten Nutzpflanzen(-sorten und -varietäten). Diese drei Ansätze sollen nun in einer einzigen Roten Liste zusammengeführt, aber für die drei Zwecke jeweils gekennzeichnet werden. Die Listen wurden überwiegend auf der Basis von Datenbanken erstellt, eine Erhebung, welche Sorten tatsächlich in Gärten und auf Feldern vorhanden sind, existiert nicht.

Carmen Friedrich, GEH Regionalgruppe Sachsen, stellt die Regionalarbeit der Gesellschaft zur Erhaltung der Haustierrassenvielfalt vor. Auf der seit 1984 durch die GEH erstellten Rote Liste sind derzeit 90 gefährdete Nutztierrassen; Koordination der Züchtung ist eine zentrale Aufgabe, neben Lobby- und Öffentlichkeitsarbeit (z. B. bei der Grünen Woche).

Thomas Penndorf, Region der Vielfalt e. V. in Thüringen erörterte Möglichkeiten, Chancen und Notwendigkeit des Aufbaus von regionalen „Zentren der Vielfalt“. Positive, selbst organisierte Impulse zur Vitalisierung ländlicher Regionen sind dringend notwendig, um der kulturellen Verarmung der ländlichen Räume entgegenzuwirken. Initiativen wie in Thüringen, die viele Bereichen bieten die Chance, die Regionen sich wieder aus sich selbst heraus zu entwickeln und ihre kulturelle und wirtschaftliche Eigenständigkeit und Vielfalt zu entfalten. Zur Initiative gehören Baumschule mit Sortenerhalt und Sortenzucht, Schaugarten (im Aufbau), Imkerei, Gemüsebau mit Sortenerhalt, Käserei (im Aufbau) Tierhaltung Backstube (im Aufbau), wobei ganzheitlich-natürlicher Landbau und Sozialarbeit zusammenwirken.

Roland Wüst, Freie Saaten e.V. in Rheinland-Pfalz, zeigt an den Beispielen Abwehr des Kartoffelkäfers im Auberginen- und Kartoffelanbau, Abwehr der Möhrenfliege im Karottenanbau, Bekämpfung von Kokzidiose in der Hühnerzucht und Bekämpfung von Ektoparasiten (z. B. Rote Vogelmilbe) in der Hühnerzucht, wie altes Wissen und neue Methoden entdeckt, überprüft und für die Erhaltungsarbeit genutzt werden.

Thomas Gladis, Stiftung Kaiserstühler Garten in Baden-Württemberg, stellte ein Modell zur Wiederbelebung regionaler Kulturpflanzenvielfalt vor: Würden in ganz Deutschland und darüber hinaus Samengärten wie der in Eichstetten am Kaiserstuhl etabliert, hätten Gärtner und Landwirte ebenso wie die Verbraucher einen realen Markt und damit Wahlmöglichkeiten, die aus den Anpassungen der Pflanzen resultieren und gleichzeitig von den konkreten Wünschen und Verbrauchsgewohnheiten der Konsumenten bzw. den Anforderungen der Gastronomie bestimmt werden. Dieses Modell lehnt sich an das Schaugartennetz der Pro Specie Rara in der Schweiz an, wo Haustiere und Kulturpflanzen nicht nur erhalten und gezeigt, sondern auch genutzt werden und entsprechende Produkte aus seltenen Rassen bzw. Sorten im Handel erhältlich sind.

G. Walesch stellt die Stiftung Interkultur vor; sie fördert u. a. die Begegnung von MigrantInnen und Deutschen durch interkulturelle Gärten.

Susanne Gura, Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvilfalt (VEN) stellte die vorläufige Position der IG Saatgut zur Reform des EU Saatgutrechts vor. Bis 2012 soll im Rahmen der Entbürokratisierung und Liberalisierung das Saatgutverkehrsrecht und das Sortenrecht überarbeitet werden. Hierzu liegt eine Evaluierung vor, zu der die IG Saatgut im März 2009 Stellung genommen hatte. Im Rahmen der Vorbereitungen für das 5. Treffen der europäischen Saatgutinitiativen in Graz (April 2010) soll die Position überarbeitet und abgestimmt werden. Die Privatisierung der Sortenprüfung und -zulassung wird abgelehnt. Forderungen sind u. a.: Die Rechte der Bauern und Bäuerinnen müssen laut FAO-Vertrag umgesetzt werden. Die Vielfalt von Sorten muss öffentlich verfügbar sein und vor GVO Kontamination geschützt werden.

Lothar Frese, Julius Kühn-Institut, Quedlinburg erläutert in seinem Vortrag die Überlegungen, aufgrund derer die Liste förderfähiger Kulturpflanzen für das ELER/GAK-Programm erstellt wurde.

Erik Schulte, Register- und Wertprüfung Obst des Bundessortenamts, Prüfstelle Wurzen, stellte die rechtlichen Grundlagen zum Inverkehrbringen von Obstpflanzgut vor. Insbesondere die geplante Umsetzung der EU-Richtlinie 2008/90/EG (zur Anwendung ab 30.09.2012) bereitet den ErhalterInnen von Obstsorten Probleme, denn alle in Verkehr gebrachten Sorten müssen dem Bundessortenamt gemeldet werden. Damit entsteht hoher Aufwand und Kosten. Darüber hinaus ist die Weiterentwicklung der Sorten nicht mehr möglich.

Das 5. Symposium des Dachverbandes wird am 27./28. November in Bonn stattfinden.

Programm und Vorträge

Zu Programm und Vorträgen des 4. Symposium Kulturpflanzen- und Nutztiervielfalt in Dessau, 5. - 6. März 2010