Kommentar des Dachverbands zum Auftaktbericht der EU über mögliche Folgen von vier Optionen zum Saatgutrecht

Ende April hat die EU-Kommission Optionen für eine Aktualisierung des Saatgutverkehrsrechts veröffentlicht.

Diese Optionendarstellung wurden durch eine von der EU-Kommission in Auftrag gegebene Studie begleitet. (Data gathering and analysis to support a Commission study on the Union’s options to update the existing legislation on the production and marketing of plant reproductive material, 150 Seiten, in Englisch)

Nächster Schritt der EU ist eine Folgenabschätzung der Optionen. Dazu wurde ein Auftaktbericht (7 Seiten, Englisch) veröffentlicht, zu dem die Öffentlichkeit innerhalb von drei Wochen Stellung nehmen konnte.

Die Stellungnahme des Dachverbands zum Auftaktbericht über mögliche Folgen der vorgelegten Optionen ist eine von 66 Stellungnahmen. Etwa ein Drittel davon stammen von Erhalterorganisationen aus ganz Europa.

Was zeichnet sich ab?

Nur eine der vier Optionen sieht vor, die Sortenerhaltung grundsätzlich aus dem Anwendungsbereich des Saatgutrechts außen vor zu lassen, wie es unser Dachverband immer gefordert hat (Ausnahmeregelung). Gut so, aber es ist nur die Rede von Erhalterorganisationen. Außen vor bleiben müssten unbedingt auch die vielen individuell arbeitenden ErhalterInnen, auf die die lebendige Erhaltung in Gärten und auf Äckern angewiesen ist.

Diese Option (Nr 2), die Erhalterorganisationen -allerdings mit einer noch nicht bezeichneten Mengenbeschränkung- von der Sortenzulassung ausnimmt, tut dies im gleichen Atemzug auch für alle anderen, die an Hobbygärtner verkaufen, wie Baumärkte und Gartencenter. Die Ausnahme zielt also nicht auf die Erhaltung der samenfesten Vielfalt. Hinzukommt, dass Landwirte nicht mehr untereinander Saatgut tauschen dürften, wenn sie nicht einer Organisation angehören. Sie könnten zulassungsfreie Sorten logischerweise auch nicht kaufen, wenn sie nicht an den Erwerbsanbau verkauft werden dürften. Option 2 schreibt neben den DUS-Kriterien (Unterscheidbarkeit, Homogenität und Stabilität) auch Nachhaltigkeit vor, ohne nähere Details. Die Option 2 ist mit weiteren Punkten ausgestattet, siehe unten.

Option 1 ist eine Minimalversion, auf der die Optionen 2 und 3 aufbauen:  Die stark umstrittenen Definitionen in den Randbereichen von Vermarktung und unternehmerischer Tätigkeit vereinheitlichen, so dass die vorhandenen Freiräume für Vielfaltserhaltung erheblich beschränkt oder ausgeweitet werden könnten – das Ergebnis ist offen. Dieser Punkt ist schon 2015 nach drei Versuchen gescheitert.

Außerdem gilt für alle drei Optionen: Sie enthalten die Privatisierung von bisher amtlichen Aufgaben wie Saatgutzertifizierung, Sortentests vor der Zulassung, Digitalisierung und Nachverfolgbarkeit, und eine Anpassung an die genannten Strategien der EU. Der Umgang mit Gentechnik ist auch hier für die drei Optionen gemeinsam skizziert: Kohärenz mit dem EU-Gentechnikrecht und Offenheit für Mitgliedsstaaten, ihre eigenen Anforderungen zu stellen. Da sie in der „Basis“option 1 und damit auch in 2 und 3 eingeordnet sind, erscheinen diese Punkte im Grunde kaum noch verhandelbar.

Option 3 will so wenig Spielräume für Mitgliedsstaaten und Ausnahmen wie möglich, also auch keinen zulassungsfreien Saatgutverkauf für Erhalterorganisationen. Sie sieht auch die Einbindung des Saatgutrechts in die Kontrollverordnung vor (bei Option 2 verhandelbar).

Die vierte Optionen (Nr 0) heisst „Do nothing“, was untertrieben ist, denn sie enthält auch die Anpassung an Green Deal und Farm to Fork Strategie. „Do nothing“ würde es wie bisher erlauben, im geltenden Recht Verbesserungen für die Sortenvielfalt einzubringen. Die vier innovativen Zulassungsmöglichkeiten, die im bisherigen Recht eingeräumt wurden, gelten für Naturschutz-Saatgutmischungen, für Erhaltungssorten, für Amateursorten und für Populationen für den Ökolandbau. Eine fünfte ist fast fertig: für Öko-Sorten. Es muss abgewogen werden, was auf welchem Weg am besten erreichbar ist, und die Ökozüchtung hat seit der 2014 gescheiterten Reform sehr viel für sich erreicht.

Für die Vielfaltserhaltung haben einige wenige Mitgliedsstaaten die bisherigen nationalen Spielräume genutzt, um das die Zulassungspflicht bestimmende „In Verkehr bringen für kommerzielle Zwecke“ so zu definieren, dass als kommerzieller Zweck nicht der Verkauf des Saatguts gemeint ist, sondern der Einsatz des Saatguts im Erwerbsanbau. VielfaltserhalterInnen, die an HobbygärtnerInnen verkaufen, brauchen für ihre Sorten somit keine Zulassung. Die Problemanalyse der EU -Kommission betont diese Ungleichheit zwischen den Mitgliedsstaaten als wichtige Begründung für eine Reform.

Die Option „Do nothing“ ist also bei weitem nicht so schlecht, wie es der Name nahelegt, definitiv besser als die Optionen 1 und 3.

Es geht nicht darum, welche Option letztlich ausgewählt wird, sondern, wie das Verhandlungsergebnis aussehen wird. Die einzelnen Optionen sind auch mit Verhandlungsmasse angefüllt, wie Mengenbeschränkungen, oder Ausgestaltung von Nachhaltigkeitskriterien.

Wie gehts weiter?

Der Abschlussbericht zur Folgenabschätzung der Optionen soll noch in 2021 der Öffentlichkeit drei Monate lang zur Diskussion gestellt werden, und Ende 2021 will die EU Kommission ihren Reformvorschlag vorlegen. 

Zur Überblicksseite über den Reformprozess:  https://ec.europa.eu/info/law/better-regulation/have-your-say/initiatives/13083-Revision-of-the-plant-and-forest-reproductive-material-legislation_en.

Zum Optionspapier der EU Kommission (20 Seiten plus Anhang, Englisch).

Siehe auch: September 2021 Bauernstimme  Keine Vorschriften für Vielfaltssorten

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Inception Impact Assessment Dachverband.pdf228.08 KB
EU report InceptionImpact Assessment.pdf225.51 KB