Dachverband fordert EU-Parlamentsmitglieder auf, für Nutzpflanzenvielfalt zu stimmen

Bonn, 23.4.2024 –  Am 24. April wird das EU-Parlament über eine Reform des Saatgutrechts abstimmen. Der Dachverband Kulturpflanzen- und Nutztiervielfalt hat die Parlamentarier gebeten, bei Vielfaltssorten für den Saatgutverkauf Ausnahmen von den strengen Regeln zu gewähren, die die EU-Kommission mit ihrem Vorschlag festlegen will.

Tatsächlich würde die Kommission gemeinnützigen Organisationen erlauben, Vielfaltssorten zu verkaufen. Allerdings gibt es in der EU nicht viele gemeinnützige Organisationen, die solches pflanzliches Vermehrungsgut verkaufen, in manchen Mitgliedstaaten fehlen sie ganz. In Deutschland verkauft die älteste und größte Obstsorten-Erhaltungsorganisation, der Pomologenverein, kein pflanzliches Vermehrungsgut. Der älteste deutsche Gemüsesorten-Erhaltungsverein VEN bietet lediglich Informationen darüber an, bei welchem Vereinsmitglied man bestimmte Vielfaltssorten finden kann. Der Verkauf erfolgt durch Mitglieder, die das Vermehrungsgut entweder beruflich oder als Hobby produzieren. Gemeinnützig sind die Organisationen, weil sie die biologische Vielfalt durch Vernetzung, Lobbyarbeit und Information fördern, aber nicht durch den direkten Verkauf von Saatgut.

Auch die Änderungsanträge des Ausschusses ignorieren weitestgehend einen Großteil der Akteure im Bereich der biologischen Vielfalt in der EU: die Kleinstunternehmen. Beruflich für die Vielfaltserhaltung Engagierte nutzen handwerkliche Methoden, um kleinste Mengen einer Vielzahl von Sorten säuberlich getrennt anzubauen, die Samen zu ernten, zu reinigen, zu lagern, in kleine Tütchen zu verpacken und an Interessierte auf Saatgutfestivals und in Webshops zu verkaufen. Diese engagierten Fachleute arbeiten meist ohne Personal und müssten zahlreiche neue Verwaltungsauflagen erfüllen. Das wäre ohne Angestellte nicht leistbar, und ihr Saatgut würde entsprechend teurer. Einige würden aufgeben. Nur Hobbygärtner könnten ohne jede Bürokratie Saatgut verkaufen.

Dabei ist bisher der Verkauf von Vielfaltssorten in einigen Mitgliedsstaaten, wie in Österreich, Dänemark, Niederlande und Frankreich, in begrenzten Mengen durchaus erlaubt. In fast allen anderen Mitgliedsstaaten, wie in Deutschland, wird dies toleriert – um die Sortenvielfalt zu schützen. Sie muss nämlich nicht nur in Genbanken konserviert werden, sondern auch außerhalb von Genbanken „dynamisch“ erhalten werden, so dass die Pflanzen sich an unterschiedliche Bedingungen anpassen können. Dies schreibt der so genannte FAO-Saatgutvertrag (ITPGRFA) vor. Auch die UN-Erklärung über Rechte von Bauern und anderen Personen in ländlichen Gebieten (UNDROP) unterstützt dies und beschränkt den Verkauf von selbst erzeugtem Saatgut nicht auf gemeinnützige Organisationen.

Seine Argumente gegen die Bedenken der Saatgutindustrie hat der Dachverband schon zuvor den Abgeordneten mitgeteilt: Vielfaltssorten können mit Erwerbssorten nicht konkurrieren, es kann hier kein Parallelmarkt entstehen. Den Risiken von Schadorganismen wird in der Pflanzengesundheits-Verordnung bereits umfassend entgegnet.

Der Dachverband empfiehlt den Dokumentarfilm „Seeds of Europe“ und bittet die Abgeordneten dringend, eine Reihe von Änderungsanträgen anzunehmen, um der Vielfalt nicht zu schaden. Weil in vielen Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerika die Verordnungen der EU über Freihandelsabkommen durchgesetzt werden, könnte mit einer ungeeigneten EU-Verordnung auch der weltweite Vielfaltsverlust weiter ansteigen.

 

Link zum Schreiben des Dachverbands an die Parlamentsmitglieder: https://kulturpflanzen-nutztiervielfalt.org/sites/kulturpflanzen-nutztiervielfalt.org/files/Dachverband to MEPs 22.04.24 voting.pdf

Link zum Kommissionsentwurf: https://food.ec.europa.eu/plants/plant-reproductive-material/legislation/future-eu-rules-plant-and-forest-reproductive-material_en

Mehr Info: Kulturpflanzenvielfalt – eine Beschreibung

Dachverband Kulturpflanzen- und Nutztiervielfalt, http://kulturpflanzen-nutztiervielfalt.org

 

Kontakt: Susanne Gura, Tel.: 0177-6691400

 

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Dachverband to MEPs 22.04.24 voting.pdf311.37 KB