Bonn, 22.3.24 Die laufende Reform des EU-Saatgutrechts hat kleine Fortschritte in Richtung Vielfaltserhaltung gemacht, aber sie sind nicht ausreichend und vor allem nicht gesichert. Ursprünglich hatte die EU-Kommission in ihrem Vorschlag lediglich den Saatgutverkauf durch Hobbygärtnernde von den massiven Vorschriften für Saatgutvermarktung ausgenommen. Für manche EU-Länder wäre das ein Rückschritt in Sachen Vielfaltserhaltung geworden. Im geltenden Recht erlauben sie berufsmäßigen Engagierten ausdrücklich den Verkauf begrenzter Mengen von Vielfaltssaatgut, während die meisten Mitgliedsstaaten dies tolerieren.
Die beiden Ausschüsse für Umwelt und Landwirtschaft des EU-Parlaments haben nun unterschiedliche Verbesserungen vorgenommen. In erster Linie profitieren davon die Genbanken. Diese sind eigentlich als Nothilfe gegen Vielfaltsverlust konzipiert. Die Erhaltung außerhalb von Genbanken in Gärten und auf Feldern sind genauso wichtig – dies ist sogar in einem internationalen Abkommen festgehalten und wird mit einem internationalen Aktionsplan umgesetzt. Dagegen würde die EU jedoch verstoßen, selbst wenn sie die bisher vorliegenden guten Vorschläge umsetzt. Die Verbesserungen würden nämlich auf gemeinnützige Einrichtungen begrenzt. Beruflich engagierte Erhaltende können aber den non-profit-Status weder individuell noch als Kleinstbetrieb erlangen, obwohl sie das Fundament der Erhaltung außerhalb von Genbanken sind, und wegen des hohen handwerklichen Aufwands getrennt nach vielen Sorten und Arten wahrlich keine Profite machen können.
So zufrieden die Lobby der Saatgutindustrie mit dem ursprünglichen Entwurf der EU Kommission war, so wütend erscheint sie nun über die Änderungen der Parlamentsausschüsse. Sie könnte nun versuchen, ihre Position im Ministerrat und bei der Abstimmung im Plenum des Parlaments im April durchzusetzen. Rationalisierungsgewinne wären ihr auf jeden Fall sicher, wenn es statt der vielen bisherigen Richtlinien nur eine Verordnung gäbe, die unmittelbar in der gesamten EU gilt. Aber das genügt der stark monopolisierten Industrie nicht: "Sie will Ausnahmen für die Vielfalt möglichst verhindern. So als seien die Vielfaltssorten Konkurrenz für ihre homogenen Sorten, und so als ob das geltende strenge Pflanzengesundheitsrecht nicht gut genug sei, und so als müssten die Vielfaltsinteressierten vor ruinösen Täuschungen geschützt werden", darauf weist Susanne Gura vom Dachverband Kulturpflanzen- und Nutztiervielfalt hin. "Wir forden Parlament und Ministerrat auf, den Fortschritt für die Biodiversität, den die Ausschüsse erreicht haben, nicht zu verlieren, sondern darauf aufzubauen."
Im Dachverband Kulturpflanzen- und Nutztiervielfalt e.V. haben sich 25 Organisationen zusammengeschlossen, die die landwirtschaftliche Biodiversität in der Kulturlandschaft stärken wollen. Tätigkeitsschwerpunkte sind Vernetzung, Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit; politische Interessenvertretung; sowie Austausch mit relevanten wissenschaftlichen und Umweltorganisationen im In- und Ausland.
Dachverband Kulturpflanzen- und Nutztiervielfalt e.V, http://kulturpflanzen-nutztiervielfalt.org
Kontakt: Dr. Susanne Gura, Tel.: 0049 177 6691400