Bonn, 9.12.2025 – Zahlreiche Hobbygärtnernde und Samengärtnereien haben heute die europäischen Agrarminister und ihre Vertretungen in Brüssel aufgefordert, bei der geplanten Saatgutverordnung die Kulturpflanzenvielfalt in Hobbygärten und in lokalen Wertschöpfungsketten zu berücksichtigen. Sie ist durch neue Bürokratie gefährdet.
Am 10. Dezember will der Ministerrat der EU seine Position zur geplanten EU-Saatgutverordnung verabschieden. Der Positionsentwurf wird der Notwendigkeit, die biologische Vielfalt von Kulturpflanzensorten zu erhalten, überhaupt nicht gerecht.
Die Vielfaltserhaltung findet oft in Hobbygärten statt. Die Bedürfnisse dort sind anders als in der Erwerbslandwirtschaft. Zum Beispiel legen Hobbygärtner höchsten Wert auf Geschmack und pestizidfreien Anbau, sodass die Gärten ein Refugium auch für die Vielfalt an Bestäubern, Vögeln und anderer Biodiversität bieten. Das nötige Saat- und Pflanzgut besorgen sich Hobbygärtnernde sehr oft auf Saatgutfestivals und Bildungsveranstaltungen, in der Regel bei Samengärtnereien oder bei ExpertInnen für Obstvielfalt.
Hobbygärtnernde unterstützen auch das Ziel, Kulturpflanzenvielfalt für künftige Generationen zu erhalten, wie es die Vereinten Nationen beschlossen haben. Dabei sollen die Pflanzen laufend an regionale und klimatische Herausforderungen angepasst werden – das können Genbanken nicht leisten. Das tun Samengärtnereien, bei denen HobbygärtnerInnen und kleine lokale Erwerbsgärtnereien sich mit Vielfaltssaatgut und passenden Erfahrungen und Wissen versorgen. Die Samengärtnereien sind sehr oft nebenberuflich und auch in Bildungsarbeit engagiert. Die geplanten Ausnahmen für Genbanken und Erleichterungen für gemeinnützige Organisationen würden nicht für Samengärtnereien gelten und somit für einen Großteil der Vielfaltserhaltung ins Leere laufen.
Neue Bürokratie würde die kleinen Samengärtnereien besonders belasten. Für hunderte Sorten, von denen sie nur kleine Mengen zum Zweck der Sortenerhaltung in Umlauf bringen, müssten sie die gleichen Vorgaben erfüllen, die für die Tonnenware der großen Saatgut-Unternehmen vorgesehen ist. Beispielsweise müssten sie jedes Jahr die produzierten und verkauften Mengen zu Saisonbeginn bei den Behörden voranmelden und hinterher Bericht erstatten und drei Jahre lang zwecks Nachverfolgung dokumentieren. Dies würde sogar auch für Kleinstbetriebe und nebenberufliche Erhalter gelten!
Diese neuen Bürokratielasten würden sich besonders auf Hobbygärtnernde auswirken, weil sie sich gerne genau bei diesen Kleinstbetrieben mit Vielfaltssaatgut versorgen, zum Beispiel bei lokalen Saatgut- und Bildungsveranstaltungen. Diese Vielfaltssorten sind für Hobbygärten und lokale Erwerbsgärtnereien besonders gut geeignet, beispielsweise wird nicht alles gleichzeitig reif. Hobbygärtnernde tragen mit ihrem Anbau zur Erhaltung der Biodiversität bei und brauchen das Vielfaltssaatgut.
Es darf auch nicht vorgeschrieben werden, dass schon bei kleinsten Mengen, die lokale Vielfaltsgärtnereien gerne ausprobieren möchten, die Sorte zuerst behördlich angemeldet werden muss. Das behindert Innovation und lokale Wertschöpfung, beispielsweise für Solawis, Restaurants und lokale Märkte. Zur „Erhaltung durch Aufessen“, einem Werbespruch der Bundesregierung für Vielfaltserhaltung, gehört auch der Verkauf von Saat- und Pflanzgut.
Viele Samengärtnereien müssten ihre Tätigkeit reduzieren, vielleicht sogar ganz aufgeben. Sie erzielen keine Profite, aber sie müssen von der Vielfaltserhaltung leben können. Das ist nur von Spenden auf Dauer nicht möglich. Der Bericht „Bureaucracy Against Biodiversity“ hat überaus deutlich gemacht: Der Gesetzesvorschlag ist unverhältnismäßig, die Kulturpflanzenvielfalt würde gefährdet.
Der Dachverband fordert, die Erhaltung der Kulturpflanzenvielfalt grundsätzlich vom Geltungsbereich der geplanten EU-Saatgutverordnung auszunehmen, auch Kleinstbetriebe, zum Beispiel unter 100.000 Euro Jahresumsatz aus Saat- und Pflanzgut. Das liegt sogar weit unterhalb der Definition der EU für Kleinstbetriebe von 2 Millionen Euro Jahresumsatz.
Was beim Lieferkettengesetz möglich ist – nämlich Unternehmen unter 5000 Beschäftigte auszunehmen-, sollte bei Vielfaltserhaltung, zumeist Ein-Personen-Betriebe, doch ebenfalls möglich sein!
Völlig zuwider läuft der Rechtsvorschlag auch dem Ziel der EU, die Bürokratie um 35 Prozent zu reduzieren.
Arche Noah Bericht „Bureaucracy against Biodiversity“ (30 Seiten)
https://www.arche-noah.at/media/bureaucracy_against_biodiversity_report_may_2025_3.pdf
Deutsche Kurzfassung (3 Seiten)
www.arche-noah.at/media/buerokratie_gegen_biodiversitaet_mai_2025_-_kurzfassung_de_1.pdf
Über den Dachverband: https://kulturpflanzen-nutztiervielfalt.org/
Email: kontakt@kulturpflanzen-nutztiervielfalt.org
mob 0049 177 6691400 (Susanne Gura, Vorstandsmitglied
